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Kriegserlebnisse einer jungen Frau

"Man sieht nur Trümmerhaufen, sonst nichts!"
Johanna Huber, 15. März 1945

FLAK-Helferin wider Willen

Im März 1945 ändert sich das Leben von Johanna Huber. Unter Androhung von Gewalt und der Bestrafung ihrer Familie, wird die damals 17-jährige gezwungen, ihre österreichische Heimat in Böheimkirchen zu verlassen und als FLAK-Helferin in Deutschland die Nazis zu unterstützen. Sie reist über das zerstörte München weiter ins zerstörte Ulm. Wie die Reise war, erfährt ihre Familie durch einen Brief von "Hansi", wie sie liebevoll genannt wird.

Dann endet der Krieg und auf ihrem Versuch, wieder zurück nach Österreich zu kommen, wird sie in Freilassing (Bayern) an der Grenze festgestzt. Sie wird erstmal ins Allgäu geschickt, um dort auf einem Bauernhof zu Arbeiten. Dokumente ihrer Odyssee sind erhalten.  

Johanna Bartosik 1941

Johanna Huber 1941 © privat

Zerstörung

München Residenz, Brunnenhof 1945

München Residenz, Brunnenhof 1945 © Bayerische Staatsbibliothek

Zwangsarbeit München, Residenz 1945 © Bayerische Staatsbibliothek

München Hofgarten 1945

München Hofgarten 1945 © Bayerische Staatsbibliothek

Bayerische Staatsoper nach einem Bombenangriff 1945

Bayerische Staatsoper 1945 © Bayerische Staatsbibliothek

Der Brief

15. März 1945

Meine lieben Eltern, liebe Hermi,

Da ich nun in Ulm so schön auf der Straße sitze, will ich Euch gleich schreiben. Also ich fuhr um 11 Uhr von St. Pölten ab und schon bei Fliegeralarm. In Hubertendorf mußten wir den Zug verlassen und dort den nächsten Luftschutzkeller aufsuchen. Wir saßen ungefähr 1,5 Stunden fest.

Dann ging’s bei voller Fahrt weiter, doch leider mußte ich teilweise stehen, da alles überfüllt war. Ungefähr um 11 Uhr abends kam der Zug in München Ostbahnhof an. Doch von hier aus bekam ich keinerlei Verbindung und mußte auf den Hauptbahnhof fahren.

Aber glaubt ja nicht, dass das so einfach war. Man sieht nur Trümmerhaufen - sonst nichts. Dazu stockdunkel. Ein Stückchen musste ich mit der Straßenbahn fahren, das andere laufen. Doch soweit wäre ich glücklich hingekommen, stand ich gleich vor einem neuen Problem. Den Eingang suchte ich lange und verzweifelt. Endlich sah ich eine Laterne, auf die marschierte ich drauf los.

München brennt 1945 Luftkrieg © Bayerische Staatsbibliothek

Leider war der nächste Zug erst um 5 Uhr morgens. So ging ich im Bunker schlafen. Morgens musste ich mit dem Pendelzug nach Ulm. Und nun bin ich vormittags um 11 Uhr angekommen und kann erst um 01:26 Uhr abends weiter nach Heidenheim. Ich entsetzte mich schon in München über diese Zerstörung, doch hier ist es einfach grauenhaft. Ruinen, nichts als Ruinen. Es gibt kein ordentliches Geschäft mehr, weder Kaffee oder Gastwirtschaft, mit einem Wort: nichts!

Ich musste nämlich von Neu-Ulm bis Ulm Hauptbahnhof gehen und so sah ich einen großen Teil der Stadt. Ich sitze jetzt gleich in der Nähe des Hauptbahnhofes auf so aufgeschichteten Steinen in der Sonne. Ihr müsst bitte daher auch meine Schmiererei verzeihen, aber auf dem Schoß geht es eben nicht besser. Neben mir ein Haufen Soldaten, die ebenso umhergependelt sind wie ich.

Die Sonne scheint einfach herrlich und auch war bis jetzt noch kein Alarm. Ich glaube wirklich, wenn Engel reisen, ist es so. Ich will den Brief mit Marken absenden, hoffentlich bekomme ich eine. Etwas Warmes bekam ich auch. Also das war meine diesmalige Reise, fast ein bisschen abenteuerlich. Ich will in den nächsten Tagen, sobald ich etwas Näheres weiß, gleich wieder schreiben.

Einstweilen viele liebe Grüße und Bussi von Eurer Hansi.

Dokumente

Johanna 1940 auf einem Schulfoto

Johanna kurz nach dem Krieg

Brief Teil 1

Brief Teil 2

Id-Card Johanna Huber

ID Card russich

ID Card Englisch Französisch

Entlassungsschein Airforce 1945 Teil 1

Entlassungsschein Airforce 1945 Teil 2

Briefe und Dokumente von Johanna Huber © privat